Aktuelle Informationen aus Steuern, Recht und Wirtschaft
— Dezember 2022 —
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden.
Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
Ausfall eines Gesellschafterdarlehens bei Krise der GmbH: nachträgliche Anschaffungskosten?
Ist ein in der Krise der GmbH stehengelassenes Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a EStG zu berücksichtigen? Und wenn ja, mit welchem Wert? Das FG Berlin-Brandenburg beantwortet diese Fragen. Das letzte Wort liegt jedoch beim BFH.
Hintergrund
Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH, für die er im Oktober 2004 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft war am 30.11.2005 eingestellt worden. In seiner Einkommensteuerveranlagung 2009 begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts. Er machte geltend, dass er im Jahr 1997 ein Darlehen an die GmbH ausgereicht hatte, dessen Verlust mit dem Nennwert von 120.374 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden müsse. Im Klageverfahren erklärte er, dass es sich um ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen gehandelt habe; nähere Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bei der GmbH konnte er nicht mehr machen.
Entscheidung
Das Finanzgericht entschied, dass der Verlust des Darlehens nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden konnte. Auch im Streitjahr 2009 waren – trotz der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG – die bisherigen Grundsätze zur Behandlung von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG weiter anwendbar. Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führten nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren.
Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der Bundesfinanzhof darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung vorgenommen hatte (sog. funktionelles Eigenkapital). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (Fremdkapital).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Wertminderungen des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen nur zu berücksichtigen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Darlehen kapitalersetzend ist, wobei im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH vier Fallgruppen unterschieden werden. Ein Darlehen ist danach insbesondere durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn es in der Krise eingeräumt wird. Der Darlehenshingabe in der Krise steht es gleich, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft das vor der Krise gewährte Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und angesichts der veränderten finanziellen Situation die Gefährdung der Rückzahlung absehbar war oder wenn das Darlehen von vornherein auf Krisenfinanzierung angelegt ist (krisenbestimmtes Darlehen). Von diesen Fallgruppen abzugrenzen ist das Finanzplandarlehen, das von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen ist.
Fiel der Gesellschafter mit einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führte dies zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall war nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu berücksichtigen. Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust fiel in der (steuerlich unbeachtlichen) privaten Vermögenssphäre an.
Ausgehend hiervon kam eine Anerkennung des begehrten Verlusts schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem vom Kläger gewährten Darlehen nach seinem eigenen Vortrag nicht um ein krisenbestimmtes, sondern ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen gehandelt hatte und dieses – mangels näherer Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise der GmbH – bei Eintritt des Insolvenzfalls mit einem Teilwert von lediglich 0 EUR zu bewerten war.
Lohn und Gehalt
Entgelt für Kennzeichenwerbung ist Arbeitslohn
Das Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten Pkw des Arbeitnehmers ist Arbeitslohn. Das gilt zumindest dann, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt.
Hintergrund
Der Arbeitgeber A schloss mit einer Vielzahl seiner Mitarbeiter einen „Mietvertrag Werbefläche“, mit dem sich die Mitarbeiter dazu verpflichteten, von A zur Verfügung gestellte, mit einem Werbeschriftzug versehene Kennzeichenhalter an ihren privaten Pkw anzubringen. Im Gegenzug erhielten die Mitarbeiter ein jährliches Entgelt von 255 EUR. Die Verträge waren auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet und konnten mit einer 2-monatigen Frist gekündigt werden.
Das Finanzamt sah die Vergütungen als Arbeitslohn an und nahm A mit Haftungsbescheid für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer in Anspruch.
Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage mit dem Hinweis ab, das auslösende Moment für die Zahlungen sei die Stellung der Empfänger als Arbeitnehmer.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil und wies die Revision des A zurück. Die Zahlungen sind Arbeitslohn. Sie sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und beruhen nicht auf einem Sonderrechtsverhältnis „Mietvertrag“, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt.
Besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber neben dem Arbeitsverhältnis eine gesonderte Vereinbarung, entscheidet sich die Frage, ob ein Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund der Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Lebenssachverhalts und nicht nach der äußeren Erscheinungsform. Deshalb steht der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen, während umgekehrt allein aus der Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann.
Ob hiervon ausgehend ein zugeflossener Vorteil als Arbeitslohn anzusehen ist, beurteilt sich anhand einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Das Finanzgericht hat dem abgeschlossenen „Werbevertrag“ keinen eigenen wirtschaftlichen Gehalt beigemessen und für die daraus folgende Einordnung der Zahlung als Arbeitslohn auf folgende Gesichtspunkte abgestellt:
- die Erzielung einer Werbewirkung war nicht sichergestellt
- das Entgelt orientierte sich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze von 256 EUR
- das Entgelt war nicht – wie sonst üblich – am Werbeeffekt ausgerichtet
- Verträge wurden ausschließlich mit Mitarbeitern abgeschlossen
- die Laufzeit der Verträge war an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden
- kein auschlaggebendes Gewicht der für einen wirtschaftlichen Gehalt sprechenden Gesichtspunkte
Den Gesichtspunkten, die für einen eigenen wirtschaftlichen Gehalt des Sonderrechtsverhältnisses „Mietvertrag“ sprechen könnten (u. a. Vertragsschluss nicht mit allen Mitarbeitern, Abschluss eines gesonderten, schriftlichen als „Mietvertrag Werbefläche“ bezeichneten Vertrags, Kündigungsmöglichkeit bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses) hat das Finanzgericht im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Da diese Würdigung des Finanzgerichts nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, sah sich der Bundesfinanzhof hieran gebunden.
Steuerrecht Unternehmer
Eigentumswechsel an einer vermieteten Immobilie und Umsatzsteuer
Wird eine vermietete Immobilie erworben, tritt der Erwerber an die Stelle des bisherigen Vermieters. Fraglich sind die Anforderungen an eine Rechnung i. S. d. § 14c Abs. 1 UStG bei Wechsel des Eigentums an einer vom bisherigen Eigentümer teilweise unberechtigt unter Umsatzsteuerausweis vermieteten Immobilie.
Hintergrund
Die Klägerin erwarb ein vermietetes Bürogebäude. In den vom Voreigentümer abgeschlossenen von der Klägerin fortgeführten Mietverträgen mit einer Klinik und einer Physiopraxis findet sich der Zusatz „zzgl. 19 % Mehrwertsteuer“ und ein ausgewiesener entsprechender Betrag. Die Klägerin behandelte die vereinnahmten Bruttomieten in ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 als umsatzsteuerfrei. Bei der nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Vermietung an die selbst umsatzsteuerfreie Umsätze ausführende Klinik und Physiopraxis war eine Option der Klägerin zur Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 2 UStG nicht möglich.
Nach Auffassung des Finanzamts wurde jedoch in den Altmietverträgen und in den neu abgeschlossenen Mietverträgen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Insoweit schulde die Klägerin die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 1 UStG. Dem widersprach die Klägerin, denn in den Zahlungen von den Mietern war der Leistungszeitraum nicht angegeben. Auch würden in den Mietverträgen einige nach § 14 Abs. 4 UStG notwendige Rechnungsangaben fehlen (Steuernummer des Vermieters, fortlaufende Rechnungsnummer, Nettoentgelt, Steuersatz). Eine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens i. S. v. § 14c UStG sei zudem ausgeschlossen, weil den betroffenen Mietern als medizinische Nutzer kein Vorsteuerabzug zustehe.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts schuldet die Klägerin vorliegend zurecht nach § 14c Abs. 1 UStG die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer. Eine Option zur Steuerpflicht war nicht zulässig, weil die Mieter die Mieträume nicht ausschließlich für Umsätze verwendeten, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Im Streitfall waren die Umsätze der Klinik und Physiopraxis gem. § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet ein Unternehmer, der – wie im Streitfall – in einer Rechnung für eine Leistung einen höheren Steuerbetrag ausweist als er nach dem Umsatzsteuergesetz schuldet, auch den Mehrbetrag.
Bei Dauerschuldverhältnissen besteht eine Rechnung i. d. R. aus dem Miet- oder Pachtvertrag und den monatlichen Kontoauszügen. Die Rechnungsbestandteile „Leistungsgegenstand, Leistender, Leistungsempfänger, monatliches Entgelt, Umsatzsteuerbetrag/Satz“ ergeben sich meist aus dem Mietvertrag und der konkrete Leistungszeitraum aus dem jeweiligen Kontoauszug.
Der Rechnungsbegriff nach § 14 Abs. 4 UStG und § 14c UStG ist unterschiedlich, denn eine Rechnung i. S. v. § 14c UStG ist ein Dokument, das wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs verwendet zu werden. Beim Rechnungsbegriff des § 14c UStG müssen daher nicht alle Ordnungsmerkmale des Rechnungsbegriffs nach § 14 Abs. 4 UStG erfüllt sein. Insoweit reicht es aus, wenn – wie im Streitfall – die Mietverträge mit der Klinik und Physiopraxis den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweisen. Bei Mietzahlungen in der Höhe und zum Zeitpunkt der vertraglichen Fälligkeiten ohne ausdrückliche (andere) Zahlungsbestimmung ergibt sich der Zeitpunkt der Leistung (Miete) durch die Zuordnung der Zahlung zu der Periode, in der sie geleistet wird.
Der Erwerber tritt dabei an die Stelle des Vermieters und in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Raum nach der Überlassung an den Mieter vom Vermieter an einen Dritten übertragen wird. Die nicht von ihr selbst abgeschlossenen Mietverträge zusammen mit den weiteren Unterlagen (Kontoauszüge) führen dazu, dass sich die Klägerin eine Rechnung als Leistende i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG zurechnen lassen muss. Da nach dem Eigentumswechsel die Mieten auf dem Bankkonto der Klägerin eingegangen sind, haben die Mieter von dem Vermieterwechsel erfahren. Hierdurch stellt der jeweilige Zahlungsbeleg gleichzeitig eine Änderung der Bezeichnung des Leistenden aus dem Mietvertrag und eine Änderung des Rechnungsausstellers dar.
In der Zusammenschau stehen damit mit den Mietverträgen und den mit den Zahlungsbelegen verbundenen Anpassungen den Mietern Dokumente mit Ausweis der Umsatzsteuer zur Verfügung, die abstrakt die Gefahr der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs durch die Mieter begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Mieter wegen ihrer ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätze die Vorsteuer nicht geltend machen können. Es kommt nur auf eine abstrakte Gefährdungslage an, die im Streitfall gegeben ist.
Gewerbesteuerliche Folgen der Überlassung von Gewerberäumen
Die Überlassung von relativ unwesentlichem Grundbesitz an eine nur geringfügig beteiligte Genossin zur gewerblichen Nutzung steht auch dann der erweiterten Kürzung bei der Genossenschaft entgegen, wenn der von der Genossin erzielte Gewerbeertrag den gewerbesteuerlichen Freibetrag nicht erreicht.
Hintergrund
Die Genossenschaft mit rund 6.000 Mitgliedern war in 2014 bis 2016 ausschließlich mit der Vermietung von Grundstücken befasst (Wohnungen und Gewerbeflächen). Eine Mieterin (M) hatte seit 2012 von der Genossenschaft Räume gemietet, in denen sie ein Einzelhandelsgeschäft betrieb. Ihre Gewinne erreichten nicht den gewerbesteuerlichen Freibetrag von 24.500 EUR.
Im Jahr 2014 wollte M von der Genossenschaft eine Wohnung mieten. Da die Genossenschaft nach ihrer Satzung Wohnungen bevorzugt an ihre Mitglieder vermietete, erwarb M im Jahr 2014 einen Geschäftsanteil und die Genossenschaft überließ ihr ab 2015 eine Wohnung. Der Anteil der M an der Genossenschaft betrug am 31.12.2016 lediglich 0,0168 %. Außer M waren keine weiteren gewerblichen Mieter als Genossen beteiligt.
Das Finanzamt lehnte den Antrag der Genossenschaft auf Gewährung der erweiterten Kürzung mit der Begründung ab, das an M vermietete Ladenlokal diene dem Geschäftsbetrieb der M.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es war der Auffassung, einer Genossenschaft, die neben Wohnungen auch gewerblich genutzte Flächen vermiete, stehe die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags auch dann zu, wenn der Grundbesitz zu einem Teil dem Gewerbebetrieb einer Genossin diene, die zu weniger als 1 % an der Genossenschaft beteiligt sei, dieser Beteiligung nur geringe Bedeutung zukomme und die Genossin selbst wegen niedriger Einkünfte keiner Gewerbesteuerbelastung ausgesetzt sei. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG bedürfe bei einer derartigen Bagatellbeteiligung einer Einschränkung.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Das Finanzgerichtsurteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Genossenschaft steht die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 5 GewStG nicht zu.
Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Diese Ausnahme von der Begünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beruht darauf, dass in der Überlassung von Grundbesitz an einen Gesellschafter oder Genossen zu dessen gewerblichen Zwecken keine reine Vermögensverwaltung mehr gesehen werden kann. Denn bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters oder Genossen (ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers) fließen die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag ein und würden damit der GewSt unterliegen. An dieser Einschränkung scheitert die erweiterte Kürzung für die Genossenschaft. Denn M hatte Grundbesitz der Genossenschaft zur Erzielung gewerblicher Einkünfte aus ihrem Einzelhandelsgeschäft gemietet. Der Grundbesitz diente ihrem Gewerbebetrieb i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG.
Der Versagung der erweiterten Kürzung steht nicht entgegen, dass die betragsmäßige Beteiligung und der Stimmenanteil der M äußerst geringfügig sind. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG („wenn“) ist der Umfang der Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft und auch die Größe des vermieteten Grundstücksteils unerheblich.
- 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist zwar im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass dem Grundstücksunternehmen die erweiterte Kürzung auch dann zusteht, wenn das überlassene Grundstück dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, der mit den gesamten (positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer befreit ist. Diese Ausnahme kann aber nicht auf den hier vorliegenden Fall erstreckt werden, dass der mietende Gewerbebetrieb keine Gewerbesteuer schuldet, weil der Gewerbeertrag unter 24.500 EUR liegt. Denn die Ausnahme wäre dann von den zufällig schwankenden Gewinnen des mietenden Unternehmens abhängig und Änderungen der Gewerbesteuer-Messbescheide des mietenden Unternehmens würden zu kaum handhabbaren Folgeänderungen bei dem Grundstücksunternehmen führen.
Taxiunternehmen: Bareinnahmen sind auch buchhalterisch ordnungsgemäß zu erfassen
Alle Taxiunternehmer müssen zur Erfüllung ihrer Buchführungspflicht die Schichtzettel physisch nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahren, und zwar ungeachtet der Art der Gewinnermittlung. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung wirkt unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG.
Hintergrund
Streitig sind die infolge einer Betriebsprüfung und Steuerfahndung vom Finanzamt vorgenommenen Hinzuschätzungen von Erlösen bei dem vom Antragsteller betriebenen Taxi- und Mietwagenunternehmen. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung bestanden im Jahr 2008 und in den Folgejahren formelle Buchführungsmängel in den Einnahmeursprungsaufzeichnungen des Antragstellers. Dieser habe danach weder Schichtzettel vorgelegt noch nach Auszählung der Tageskasse die Tageseinnahmen täglich in ein Kassenbuch übertragen. Er habe stattdessen seine Barerlöse monatlich in einer Excel-Tabelle erfasst, die ihm als Kassenbuch diente. Weitere Abrechnungen oder Fahrtenbücher habe er ebenfalls nicht vorgelegt.
Im Rahmen einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume seien für die Jahre 2012 und 2013 unvollständige Tagesaufzeichnungen der Fahrer des Taxiverkehrs aufgefunden worden. Ein Abgleich dieser aufgezeichneten Barerlöse mit den vom Antragsteller gebuchten Bareinnahmen ergaben Mehrerlöse von jeweils rund 80.000 EUR für die Jahre 2012 und 2013. Diese Buchführungsmängel veranlassten die Prüferin zu einer Taxikalkulation und entsprechenden Erlöshinzuschätzungen von insgesamt 625.378 EUR für die Jahre 2008 bis 2013.
Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens hat der Antragsteller Klage beim Finanzgericht erhoben und die Aussetzung der Vollziehung der streitgegenständlichen Bescheide beantragt.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat nach summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren die Schätzungsbefugnis des Finanzamts dem Grunde nach bejaht, weil der Antragsteller sowohl seine Aufbewahrungspflichten als auch die Aufzeichnungspflichten verletzt habe.
Taxiunternehmer müssten ihre Bareinnahmen jeweils einzeln aufzeichnen. Aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes erfüllten die Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich aus dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen ließen, die sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen.
Da der Antragsteller weder seine Schichtzettel aufbewahrt noch deren Inhalt täglich unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein Kassenbuch übertragen habe, sei die Buchhaltung formell nicht ordnungsgemäß. Soweit der Antragsteller seine Einnahmen in Excel erfasst habe, genüge dies offensichtlich nicht den Anforderungen des § 147 Abs. 1 AO.
Zahlreiche Verkäufe über ebay: Differenzbesteuerung auch bei fehlenden Aufzeichnungen
Umfangreiche Verkäufe über die Internetplattform „ebay“ begründen eine unternehmerische Tätigkeit. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung.
Hintergrund
Die X erwarb Gegenstände aus Haushaltsauflösungen und bot sie auf der Auktions-Plattform „ebay“ in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. In den Jahren 2009 bis 2013 erzielte sie aus ca. 3.000 Auktionen Einnahmen von ca. 370.000 EUR.
Das Finanzamt erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbescheide, in denen es die Betriebsausgaben und Vorsteuern i. H. v. 30 % der Einnahmen schätzte. In den Umsatzsteuer-Bescheiden setzte es Umsatzsteuer von 19 % auf die festgestellten (Brutto-)Einnahmen fest. Vorsteuerbeträge erkannte das Finanzamt nicht an.
Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt, indem es die Betriebsausgaben i. H. v. 60 % des Nettoumsatzes berücksichtigte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat fälschlich die vom Finanzamt vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer auf die Bruttoeinnahmen bestätigt. Außerdem ist die Sache im Hinblick auf die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht spruchreif.
Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG das Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Deshalb hätte die festzusetzende Umsatzsteuer vom Finanzamt aus den Bruttoeinnahmen herausgerechnet werden müssen. Das wird das Finanzgericht bei seiner erneuten Entscheidung berücksichtigen müssen.
Bei den Verkäufen der X handelt es sich um eine nachhaltige Tätigkeit. Neben dem Umfang der Verkäufe ist auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit eine Betriebsorganisation erforderte. X musste Verpackungsmaterial kaufen, Waren verpacken, Porto zahlen und digitale Bilder der angebotenen Gegenstände fertigen. Es handelt sich um eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen. Auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es für die Umsatzsteuer nicht an.
X ist Wiederverkäuferin i. S. d. § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Da sie die weiterveräußerten Gegenstände bei Haushaltsauflösungen erworben hat, kann von einem Erwerb, für den keine Umsatzsteuer geschuldet wurde, ausgegangen werden.
Die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten nach § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG gehört nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt daher grundsätzlich nicht zur Versagung der Differenzbesteuerung, sondern zur Schätzung (ggf. zu Lasten des Wiederverkäufers).
Unionsrechtlich ergibt sich die Schätzung zum einen daraus, dass eine Pflicht zu getrennten Aufzeichnungen nach Art. 324 MwStSystRL nur dann besteht, wenn die Differenzbesteuerung neben der Regelbesteuerung angewendet wird. Zum anderen hat der EuGH zwar entschieden, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung aus Aufzeichnungen ergeben muss, die die Prüfung sämtlicher Voraussetzungen der Differenzbesteuerung ermöglichen. Sind aber die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung unstreitig gegeben, anerkennt der Bundesfinanzhof einen Ausnahmefall, der es rechtfertigt, die Differenzbesteuerung nicht wegen des Fehlens von Aufzeichnungen zu versagen. Es ist dann vielmehr zu prüfen, ob die Einkaufspreise (ggf. mit einem Sicherheitsabschlag zu Lasten des Wiederverkäufers) geschätzt werden können.
Der Fall wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen, zum einen, um die Bruttoeinnahmen in Entgelt und Umsatzsteuer aufzuteilen, und zum anderen, um die Feststellungen zur Differenzbesteuerung nachzuholen.
Soweit die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht in Betracht kommen sollte, wird das Finanzgericht noch Feststellungen zum Vorsteuerabzug und zum Steuersatz nachholen müssen. Da X die verkauften Gegenstände aus Haushaltsauflösungen erworben hat, dürfte es sich um Erwerbe von Nichtunternehmern handeln, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Das Finanzgericht wird ferner zu prüfen haben, ob auf einzelne Umsätze der ermäßigte Steuersatz anwendbar ist.