Aktuelle Informationen aus Steuern, Recht und Wirtschaft
— Mai 2023 —
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden.
Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
GmbH: Wann haftet ein Geschäftsführer bei Unfähigkeit?
Im Rahmen einer Haftungsinanspruchnahme kann sich der Geschäftsführer einer GmbH nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Unfähigkeit nicht in der Lage war, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen.
Hintergrund
Entscheidung
Private Immobilienbesitzer
WEG-Recht: Für bauliche Veränderungen besteht Beschlusszwang
Wohnungseigentümer, die eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum vornehmen wollen, müssen einen WEG-Beschluss herbeiführen. Das gilt auch bei bestehendem Gestattungsanspruch.
Hintergrund
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus den Eigentümern zweier Doppelhaushälften, die auf einem im Gemeinschaftseigentum befindlichen Grundstück stehen. Nach der aus dem Jahr 1971 stammenden Teilungserklärung stand jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem sich an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zu. Insoweit war für Reparaturen und Instandhaltungen der jeweils Berechtigte alleinverantwortlich und kostentragungspflichtig. Im Übrigen sollte sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach den gesetzlichen Regelungen richten.
Die beklagten Eigentümer einer der Doppelhaushälften begannen ohne Zustimmung des Nachbarn mit dem Bau eines Swimmingpools in dem ihnen zugewiesenen Gartenteil. Hiergegen erhoben die Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte Unterlassungsklage.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Der BGH stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die am 1.12.2020 in Kraft getretene Neufassung des § 20 WEG. Danach können einem Eigentümer bauliche Veränderungen durch Beschluss gestattet werden.
Auf eine solche Gestaltung kann gem. § 20 Abs. 3 WEG ein Anspruch bestehen, wenn das Einverständnis aller Wohnungseigentümer vorliegt, deren Rechte durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt werden, oder wenn durch die bauliche Maßnahme keine Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer zu besorgen ist.
Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums bedarf also grundsätzlich einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer. Dieses Erfordernis der Beschlussfassung hätten die Parteien im konkreten Fall auch nicht gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG suspendiert. Lediglich die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts betreffend der jeweiligen Gartenhälfte berechtige nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche. Der Bau eines Swimmingpools gehe über die übliche Nutzung einer Sondernutzungsfläche deutlich hinaus und sei auch nicht durch die vereinbarte Reparatur- und Instandsetzungsklausel gedeckt.
Steuerrecht Privatvermögen
Wird das frühere Familienheim dem ehemaligen Partner unentgeltlich überlassen, liegt ein sog. Naturalunterhalt vor, welcher mit dem ortsüblichen Mietpreis zu bewerten ist.
Hintergrund
Bei einem inzwischen geschiedenen Paar bewohnte die frühere Ehefrau zunächst noch mit den gemeinsamen Kindern die Familienwohnung, die den ehemaligen Partnern jeweils zur Hälfte gehörte. Beim unterhaltspflichtigen Ehemann hatte das zuständige Finanzamt zunächst Geld- und Sachleistungen bei der Einkommensteuer berücksichtigt, wobei für die unentgeltliche Überlassung der Wohnung ein Wert von monatlich 400 EUR angesetzt wurde.
Später beantragte der Mann die Änderung des bereits bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheids. Dies begründete er damit, dass nicht der in der Trennungsvereinbarung festgelegte Betrag, sondern die ortsübliche Miete i. H. v. 818 EUR zu berücksichtigen sei, da die früheren Eheleute sich auf ein Realsplitting geeinigt hatten. Dabei werden die Steuern auf den Unterhaltsberechtigten verschoben, um von dessen niedrigeren Steuersatz zu profitieren. Das zuständige Finanzamt lehnte den Antrag jedoch ab, da es die Trennungsvereinbarung als mietvertragsähnliche Regelung wertete.
Entscheidung
Der BFH erkannte keine mietvertragsähnliche Vereinbarung, sondern stufte die unentgeltliche Nutzung als Naturalunterhalt ein. Dies leiteten die Richter auch daraus ab, dass die Trennungsvereinbarung von einem Wohnvorteil für die Frau spricht. Würde es sich um eine der Miete vergleichbare Situation handeln, müsste dies dagegen deutlich benannt sein. Dies wäre der Fall, wenn sich Hinweise auf ein Entgelt oder die Bezeichnung als Wohnraumvermietung finden ließen.
Zu bewerten ist der Naturalunterhalt zu einem Mittelpreis, der dem ortüblichen Wert entspricht. Maßgeblich ist bei der Berechnung die Höhe der Miete, die der Unterhaltsberechtigte vor Ort für eine dem gewohnten Lebensstandard angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. In die Wertermittlung fließt zudem ein, ob ein Wohnvorteil für die beiden gemeinsamen Kinder zu berücksichtigen ist und wenn ja, wie hoch dieser ausfällt. Nicht erforderlich ist dagegen in der
Trennungsphase eine Verwertung des bisherigen Familienheims. Hintergrund dabei ist, dass die Eheleute in dieser Zeit wieder zueinanderfinden könnten.
Wird eine Wohnung unentgeltlich zur Nutzung überlassen, zählt dies zu den geldwerten Sachleistungen und mindert den Anspruch auf Barleistungen des Unterhaltsberechtigten.
Solange eine Wohnung dem ehemaligen Partner zur unentgeltlichen Nutzung überlassen wird, fallen beim Unterhaltszahler keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an. Dies ergibt sich bereits daraus, dass kein Entgelt zwischen den Beteiligten fließt. Wird das ehemalige Familienheim jedoch auf Basis eines Mietvertrags gegen Zahlung eines monatlichen Betrags genutzt, sind diese Einnahmen entsprechend zu versteuern. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zu leistenden Barunterhalt verrechnet werden.
Steuerrecht Unternehmer
Bei der Anschaffung eines Firmenwagens kommt ein Vorsteuerabzug infrage
Wird ein Pkw nach der Anschaffung teils für steuerpflichtige und teils für steuerfreie Umsätze verwendet, erfolgt die Vorsteueraufteilung für den Pkw nicht nach dem Umsatzschlüssel, sondern nach der Fahrleistung des Pkw.
Hintergrund
Die klagende Freiberuflerin erzielt umsatzsteuerpflichtige und umsatzsteuerfreie Umsätze aus Vorträgen und Seminaren. Am 11.11.2014 erwarb die Klägerin einen neuen Pkw. Den neuen Pkw und den zuvor verkauften Pkw nutzte sie für Fahrten zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger und umsatzsteuerfreier Umsätze.
Den von der Klägerin für das Jahr 2014 zu 100 % geltend gemachten Vorsteuerabzug aus dem Kauf des neuen Pkw i. H. v. 10.778 EUR kürzte das Finanzamt um 30,49 % (somit Vorsteuerkürzung 3.286 EUR). Nach Auffassung der Klägerin war der zu 100 % zu gewährende Vorsteuerabzug für 2014 erst ab dem Folgejahr 2015 über § 15a UStG zu berichtigen.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG erhält die Klägerin aus der Pkw-Anschaffung 2014 zunächst Vorsteuer von 9.162 EUR (85 % × 10.778 EUR). Jedoch erfolgt noch im Jahr 2014 eine
Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG von 55 EUR zu Ungunsten der Klägerin. Der saldierte Vorsteuerabzug für 2014 beträgt somit 9.107 EUR.
Da die Klägerin umsatzsteuerpflichtige und umsatzsteuerfreie Umsätze ausführt, ist eine Vorsteueraufteilung durch sachgerechte Schätzung vorzunehmen. Eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der umsatzsteuerpflichtigen und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten steuerfreien Vortragsumsätze ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Das Finanzamt ist daher zutreffend von einer Schätzung nach der Fahrleistung des Pkw ausgegangen.
Dies führt nach Auffassung des FG hier zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung als der Umsatzschlüssel. Die „Verwendung“ eines Pkw lässt sich präziser durch dessen Laufleistung abbilden, die den Verschleiß und die Abnutzung des Pkw widerspiegeln. Die Umsätze können hingegen von anderen Faktoren abhängig sein und deren Höhe ist i. d. R. unabhängig von der zurückgelegten Entfernung. Somit kann eine präzisere wirtschaftliche Zurechnung im Streitfall nicht über den Umsatzschlüssel erreicht werden.
Jedoch war die vom Finanzamt herangezogene Fahrleistung vom 11.11.2014 bis zum 31.12.2014 nicht sachgerecht, da nicht in jedem Monat des gesamten Kalenderjahres eine in etwa identische Verwendung des Pkw stattfindet. Auch weicht der Aufteilungsmaßstab des Finanzamts mit 30,49 % deutlich von den sonstigen Jahren ab. Die dortige Nutzung des Pkw für Fahrten zu Vorträgen und Seminaren betrug lediglich zwischen 12,90 % und 25,78 %.
Ebenso berücksichtigte das Finanzamt nicht, dass die Klägerin bereits vor dem 11.11.2014 aufzuteilende Fahrten mit einem „funktionsgleichen“ unternehmerischen Pkw vorgenommen hat. Die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin war über das gesamte Streitjahr gesehen gleichbleibend. Demgegenüber tauschte sie lediglich ihren Pkw aus, nutzte diesen jedoch weiterhin wie bereits zuvor.
Das FG hält die Vorsteueraufteilung nach der Gesamtfahrleistung im Streitjahr 2014 für sachgerecht. Dies ergibt einen Anteil von ca. 15 % Vorsteuerausschluss für Fahrten zu Vorträgen und Seminaren und damit eine abzugsfähige Vorsteuer von 9.162 EUR.
Der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Pkw ist jedoch im Streitjahr für 2 Monate gem. § 15a UStG zu korrigieren, da der neu angeschaffte Pkw im Streitjahr tatsächlich nur zu 69,51 % zu steuerpflichtigen Umsätzen verwendet wurde. Kommt es wie vorliegend bereits im Kalenderjahr des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zu einer von der ursprünglichen Verwendungsabsicht abweichenden tatsächlichen
Verwendung, ist nach Auffassung des FG aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls (Austausch durch einen funktionsgleichen Pkw) ein Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG zulässig.
Der ursprüngliche Vorsteuerabzug von 9.162 EUR bzw. 152,70 EUR pro Monat des Berichtigungszeitraums (9.162 EUR / 60 Monate) wäre daher nach der tatsächlichen Verwendung vom 11.11.2014 bis 31.12.2014 nur i. H. v. 124,87 EUR (69,51 % × 10.778 EUR) / 60 Monate) pro Monat zulässig. Die Vorsteuerberichtigung beträgt daher 55,65 EUR (Differenz zwischen 152,70 EUR × 2 Monate und 124,87 EUR × 2 Monate). Der Vorsteuerabzug ist daher im Streitjahr um 55,65 EUR zu ermäßigen.
Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen: Wann beginnt der Zinslauf?
Fehler bei der Berechnung des Zinslaufs können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden.
Hintergrund
Am 6.5.2013 erließ das Finanzamt geänderte Einkommensteuer-Bescheide für 2007/2008 wegen (u. a.) gewinnerhöhender Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g Abs. 3 EStG. Die Bescheide enthielten auch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen mit Zinslauf beginnend zum 1.4.2009/2010 nach § 233a Abs. 2 AO (d. h. 15 Monate nach Ablauf der Steuerentstehungsjahre 2007, 2008).
Am 10.6.2013 erhoben die Eheleute Einspruch gegen die „Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ für die Streitjahre.
Erst am 30.12.2013 bzw. am 7.11.2014 (d. h. nach Ablauf der Einspruchsfrist) wandten sie sich auch gegen die Zinsfestsetzung und machten geltend, der Zinslauf beginne nach § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses und nicht nach § 233a Abs. 2 AO schon 15 Monate nach Ablauf der Streitjahre.
Das Finanzamt sah in dem Schreiben vom 10.6.2013 nur Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen und erst im Schreiben vom 30.12.2013 Einsprüche gegen die
Zinsfestsetzungen. Es verwarf die Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen wegen Verfristung als unzulässig.
Im Zusammenhang mit dem Klageverfahren gegen die Steuerbescheide setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 13.4.2018 die Zinsen neu (niedriger) fest. Der Beginn des Zinslaufs wurde nicht geändert.
Den Antrag der Eheleute auf Änderung und Herabsetzung der Zinsfestsetzungen lehnte das Finanzamt ab. Die dagegen erhobene Klage der Eheleute wurde vom FG als unbegründet abgewiesen.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Es besteht keine verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift, aus der die Eheleute einen Anspruch auf Änderung der Zinsbescheide vom 13.4.2018 herleiten können.
Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Unterschiedsbeträge bei der festgesetzten Einkommensteuer zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
Selbst wenn die Zinsen materiell-rechtlich (wie von den Eheleuten beantragt) nach einem späteren Zinsbeginn gem. § 233a Abs. 2a AO zu berechnen wären, können die Eheleute verfahrensrechtlich keine entsprechende Änderung der Zinsbescheide verlangen. Die Änderung lässt sich nicht auf § 233a Abs. 5 Satz 1 AO stützen. Die Vorschrift verlangt zwar die Anpassung eines bestehenden Zinsbescheids an eine geänderte Steuerfestsetzung. Sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen. Sie ermöglicht nicht, einen (vermeintlich) unzutreffenden Zinslauf zu korrigieren, der der Berechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt. Berechnungsfehler, die (wie hier geltend gemacht) ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen außerhalb des Anwendungsbereichs der Anpassungspflicht gem. § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Sie können nur auf der Grundlage der nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Zinsfestsetzungen anwendbaren (allgemeinen) AO-Änderungsvorschriften korrigiert werden.
Die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergibt sich keine Pflicht des Finanzamts, die Zinsfestsetzungen für die Streitjahre zu ändern. Denn die Einkommensteuer-Bescheide sind keine Grundlagenbescheide und die Zinsbescheide der Streitjahre insoweit keine Folgebescheide. Es fehlt an einer gesetzlich angeordneten Bindungswirkung im Verhältnis von Einkommensteuer-Bescheid und Zinsbescheid.
Auch aus § 129 Satz 1 AO ergibt sich keine Änderungsmöglichkeit. Das Finanzamt hat bei Erlass der Zinsbescheide vom 6.5.2013 und vom 13.4.2018 aufgrund seiner Rechtsauffassung die Regelung zum besonderen Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO bewusst nicht angewendet. Die bewusste Nichtanwendung einer Rechtsnorm durch das FA begründet keine „ähnliche offenbare Unrichtigkeit“.
§ 177 Abs. 2 AO kommt gleichfalls nicht für eine Änderung in Betracht. Da die Zinsen in den Bescheiden vom 6.5.2013 bestandskräftig festgesetzt worden waren und in den Bescheiden vom 13.4.2018 zugunsten der Eheleute herabgesetzt wurden, besteht mangels eines Änderungsrahmens für eine saldierende Fehlerkorrektur zugunsten der Eheleute kein Raum.
Säumniszuschläge sind verfassungsgemäß
Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hintergrund
Der Kläger wurde im April 2016 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners Z bestellt. Im Juni 2016 meldete das Finanzamt verschiedene Abgabenforderungen zur Tabelle an, u. a. auch Säumniszuschläge für den Zeitraum März 2015 bis April 2016. Der Kläger bestritt die vom Finanzamt angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin im Juli 2016. Mit Schreiben vom 7.9.2017 erließ das Finanzamt wegen der Insolvenz die Hälfte der zur Insolvenztabelle angemeldeten Säumniszuschläge.
Da der Kläger die Forderungsanmeldung weiterhin bestritt, stellte das Finanzamt mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO vom 13.11.2017 Insolvenzforderungen i. H. v. insgesamt 28.005 EUR fest. Darin waren auch die Säumniszuschläge i. H. v.
(nunmehr) insgesamt 576,50 EUR enthalten. Der gegen den Feststellungsbescheid gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Mit der vor dem FG erhobenen Klage beantragte der Kläger, den Feststellungsbescheid so zu ändern, dass keine Säumniszuschläge festgestellt werden. Das FG entschied jedoch, dass die Säumniszuschläge hinsichtlich eines möglichen Zinsanteils weder ganz noch teilweise gegen das Verfassungsrecht verstießen.
Entscheidung
Die Revision wurde vom BFH unbegründet zurückgewiesen. Der BFH weist auf Folgendes hin:
Gegen die Höhe der Säumniszuschläge bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die vom BVerfG herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO i. H. v. 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen.
Säumniszuschläge nach § 240 AO lassen sich mit der Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen nach §§ 233a, 238 AO nicht vergleichen. Hinsichtlich der Säumniszuschläge fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte; eine Ungleichbehandlung zwischen zinszahlungspflichtigen Steuernachzahlern und säumniszuschlagszahlungspflichtigen Steuerpflichtigen ist mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht gegeben.
Der im Vergleich zu den Zinsen doppelt so hohe Säumniszuschlag ist in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuern und erfüllt primär eine pönale Funktion. § 240 AO verfolgt das Ziel, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten und die Verletzung eben jener Verpflichtung zu sanktionieren. Daneben ist der Säumniszuschlag Gegenleistung bzw. Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern und dient letztlich auch dem Zweck, den Verwaltungsaufwand der Finanzbehörden auszugleichen.
Die Ausführungen des BVerfG, mit denen es eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO, abgelehnt hat, lassen sich zudem auch auf Säumniszuschläge nach § 240 AO übertragen.
Die Höhe des Säumniszuschlags verletzt ferner nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot.
Zur Bildung von Rückstellungen für zukünftige Bonuszahlungen an Arbeitnehmer
Eine Rückstellung kann auch dann gebildet werden, wenn die Verbindlichkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei deren Höhe ungewiss sein kann. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung kann sich daraus ergeben, dass Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung seit Jahren gezahlt werden.
Hintergrund
Die A-GmbH zahlte ihren Arbeitnehmern nach Ablauf eines guten Geschäftsjahres Mitarbeiterboni. Hierüber gab es bei einem Teil der Mitarbeiter keine schriftlichen Vereinbarungen, bei anderen wurde im Vertrag informell festgehalten, dass es sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch handele. In den Jahren 2011 bis 2013 wurde in jedem Jahr ein Bonus ausbezahlt.
Für das Streitjahr 2014 wurde Anfang 2015 eine Bonuszahlung per Mail angekündigt und im März 2015 ausbezahlt. Den Betrag stellte die A-GmbH in eine Rückstellung ein.
Im Zuge einer Betriebsprüfung stellt sich das Finanzamt auf den Standpunkt, dass die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte der Bildung der Rückstellung entgegenstünden. Der Bonusanspruch hänge von erst in der Zukunft liegenden Vorbedingungen ab, da über die Höhe erst im Folgejahr und abhängig von der zukünftigen Gewinnsituation der Gesellschaft entschieden werde. Der Bonusanspruch sei auch nicht vertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung fixiert.
Der Einspruch gegen den entsprechenden Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach dem Urteil des FG bestand zum Stichtag die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, auch wenn die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf den Bonus hatten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann eine Rückstellung auch dann gebildet werden, wenn
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei deren Höhe noch ungewiss sein kann.
Wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts stand die Verbindlichkeit am Bilanzstichtag 31.12.2014 weder dem Grunde noch der Höhe nach mit Sicherheit fest. Allerdings war auf Grund der jahrelangen ständigen Ausübung die künftige Entstehung einer Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Diese hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Bei den Boni handelte sich um ein zusätzliches Vergütungsinstrument für das abgelaufene Geschäftsjahr. Der Zusammenhang mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr ergibt sich aus der Anknüpfung an die Höhe des Monatsgehalts und aus der „Information“ für neue Mitarbeiter, dass das Unternehmen „für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf“ im Folgejahr einen Mitarbeiterbonus zahle.
Dass die Mitarbeiterboni zudem dem Zweck dienten, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, hindert die Bildung einer Rückstellung für das Streitjahr nicht, da diese nur einen Nebenzweck darstellte.
Gegen die Höhe der Rückstellung spricht nach Auffassung des FG nicht, dass der genaue Betrag am Bilanzstichtag 31.12.2014 noch nicht vom Geschäftsführer der Klägerin festgelegt worden war. In der Mail mit der Bonusankündigung, die vor der Bilanzerstellung ergangen war, ist eine wertaufhellende Tatsache zu sehen, die in die Bewertung einfließen musste.
Es liegt auch kein schwebendes Geschäft vor, das die Rückstellungsbildung ausschließen würde. Bei einem schwebenden Geschäft wird vermutet, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Im entschiedenen Fall hatte lediglich die Klägerin ihre Gehaltszusagen noch nicht vollständig erfüllt und war deshalb in Erfüllungsrückstand geraten.