Aktuelle Informationen aus Steuern, Recht und Wirtschaft
— Februar 2024 —
«ZMSD/Mdt/Briefanrede»
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden.
Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
Arbeitsrecht
Verfällt der Urlaub bei einer Langzeiterkrankung?
Bei Langzeiterkrankungen beginnt die 15-monatige Verfallfrist ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, seiner Hinweisobliegenheit nachzukommen.
Hintergrund
Der Kläger war seit dem 1.11.1989 bei der Beklagten beschäftigt. Der TVöD-V fand auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Seit dem 18.1.2016 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welches durch Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 28.2.2019 endete, war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger klagte nun auf Abgeltung von 30 Arbeitstagen Urlaub aus dem Jahr 2016. Er begründete dies damit, dass sein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 trotz der durchgehenden krankheitsbedingten Fehlzeit nicht nach 15 Monaten mit Ablauf des 31.3.2018 erloschen sei, weil die Beklagte ihn nicht durch Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen.
Entscheidung
Das BAG führt zunächst aus, dass der Urlaub nach Ablauf von 15 Monaten erlischt, wenn Beschäftigte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig gewesen sind. In diesem Fall verfällt der Urlaubsanspruch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist oder nicht.
Demgegenüber kann ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden sei, bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig nachgekommen sei.
Der Arbeitgeber habe jedoch das Risiko, dass der Urlaub wegen einer im Urlaubsjahr eintretenden Krankheit nicht erfüllt werden könne, nur zu tragen, soweit er im Urlaubsjahr tatsächlich die Möglichkeit gehabt hatte, seinen Mitwirkungsobliegenheiten auch nachzukommen. Wenn aber die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich gewesen ist, den Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs zu veranlassen, so dass der Beschäftigte selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arbeitgeber den Urlaub nicht vollständig habe nehmen können, erlischt der Urlaubsanspruch bei fortdauernder Erkrankung unabhängig von der Mitwirkung des Arbeitgebers mit Ablauf eines Übertragungszeitraums 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
Für die Frage, ob der Arbeitgeber die Beschäftigten rechtzeitig aufgefordert habe, ihren Urlaub zu nehmen, und ihnen klar mitgeteilt habe, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfalle, wenn er nicht beantragt werde, sei auf den Zugang der Erklärung bei den Beschäftigten abzustellen. Die Aufforderung und der Hinweis müssten zwar nicht sofort nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs erfolgen, sondern entsprechend der Legaldefinition nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern des Arbeitgebers. Die Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen sei, richte sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Da nach Auffassung des BAG die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung grundsätzlich keine besonderen Schwierigkeiten bereite, sei unter normalen Umständen – wenn keine Besonderheiten, wie z. B. Betriebsferien zu Jahresbeginn – vorliegen, eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche, d. h. in Anlehnung an § 3 BUrlG 6 Werktage nach Entstehung des Urlaubsanspruches, was nach § 1 BUrlG zu Beginn des Kalenderjahres, d. h. zum 1. Januar, sei, ausreichend.
Im Hinblick auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten die dargestellten Grundsätze nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifvertragsparteien des TVöD hätten in dieser Hinsicht den tariflichen Mehrurlaub nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt.
Im vorliegenden Fall erachtete das BAG die Klage als unbegründet, soweit der Kläger die Abgeltung von 25 Arbeitstagen Urlaub verlangte. Aufgrund der am 18.1.2016 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers hätten zwischen Montag, dem 4.1.2016, und Freitag, dem 15.1.2016, nur 10 Arbeitstage gelegen, an denen der Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können. Zudem habe die Beklagte ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht vor dem 8.1.2016 erfüllen müssen. Erst nach Ablauf der Frist sei das Risiko, dass Urlaubsansprüche wegen einer Langzeiterkrankung verfielen, auf die Beklagte übergegangen.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
Zur Wegzugsbesteuerung bei einem Umzug in die Schweiz
Auch wenn nach unionsrechtlichen Vorgaben in Verbindung mit dem sog. Freizügigkeitsabkommen der EU und der Schweiz bei einem im Jahr 2011 erfolgten Wegzug in die Schweiz die im Wegzugszeitpunkt entstehende nationale Steuer auf den Vermögenszuwachs (Wegzugsteuer) dauerhaft und zinslos zu stunden ist, hindert dies die Festsetzung der Steuer nicht.
Hintergrund
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und seit 2008 Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in der Schweiz. An dieser GmbH ist er seit Gründung der Gesellschaft (im Juli 2007) zu 50 % beteiligt.
Im März 2011 verzog er in die Schweiz, wo er seitdem wohnhaft ist. Das Finanzamt informierte den Kläger, dass es in Folge des Umzugs einen steuerpflichtigen fiktiven Gewinn gem. § 6 Abs. 1 AStG ansetzen werde.
Der Kläger wies darauf hin, dass eine Besteuerung nicht mit dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen-FZA) vom 21.6.1999 in Einklang stehe. Die Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven sei geeignet, eine Person vom Wegzug in die Schweiz abzuhalten. Deutschland habe es versäumt, für den Bereich des FZA eine der Stundungsregelung des § 6 Abs. 5 AStG entsprechende Regelung vorzusehen. Daher finde die Wegzugsbesteuerung keine Anwendung.
Mit Bescheid vom 18.11.2014 setzte das Finanzamt gegenüber dem Kläger die Einkommensteuer für 2011 in fest. Bei den Besteuerungsgrundlagen berücksichtigte es u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, d. h. einen fiktiven Veräußerungsgewinn i. S. d. § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG. Dagegen erhob der Kläger Einspruch.
Mit der Einspruchsentscheidung reduzierte das Finanzamt die Einkommensteuer aus nicht im Streit stehenden Gründen. Im Übrigen wies das Finanzamt den Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Der Kläger zahlte die Wegzugsteuer während des Verfahrens „vorläufig“ und hat keine Stundung mehr beantragt.
Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.
Nach Maßgabe des nationalen Rechts ist die Wegzugsteuer im Streitfall durch Einkommensteuerbescheid festzusetzen und nicht zu stunden.
Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG erfüllt. Die unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers, der er mehr als 10 Jahre lang im Inland unterlag, endete durch die mit dem Umzug in die Schweiz einhergehende Aufgabe des inländischen Wohnsitzes. Deshalb ist auf die von ihm gehaltene Beteiligung an der GmbH auch ohne Veräußerung § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuwenden, was zum Ansatz eines fiktiven Veräußerungsgewinns führt.
Eine dauerhafte Stundung der Wegzugsteuer sieht § 6 AStG nicht vor. Die in § 6 Abs. 4 AStG zugestandene zeitlich befristete Teil-Stundung hat der Kläger ausdrücklich nicht (mehr) beantragt; vielmehr hat er die festgesetzte Wegzugsteuer entrichtet, ohne sich auf die in § 6 Abs. 4 AStG tatbestandlich vorausgesetzte „erhebliche Härte“ zu berufen. Im Übrigen kommt eine Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG nur bei einem Wegzug in einen Mitgliedstaat der EU oder einen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Betracht und ist daher im Streitfall (Schweiz) nicht einschlägig.
Das FG hat die Reichweite der in ständiger Rechtsprechung bei Unionsrechtsverstößen zugelassenen sog. geltungserhaltenden Reduktion des nationalen Rechts zu eng bestimmt. Denn es geht insoweit um eine Gesetzesanwendung, die den Anwendungsvorrang des unmittelbar geltenden Unionsrechts unter größtmöglicher Wahrung des national-rechtlichen Gesetzesbefehls sicherstellt.
Die Unionsrechtswidrigkeit führt danach gerade nicht zu einer vollständigen Unanwendbarkeit oder Nichtigkeit der nationalen Vorschrift. Vielmehr ist dem Anwendungsvorrang des Primärrechts vor nationalem Recht durch das „Hineinlesen“ der vom EuGH verbindlich formulierten unionsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene Norm Rechnung zu tragen.
Infolgedessen kann es geboten sein, ein „europarechtswidriges Tatbestandsmerkmal“ nicht zu beachten oder einen im nationalen Gesetz nicht vorgesehenen Gegenbeweis zuzulassen, im Übrigen aber die Vorschrift in ihrem Bestand zu erhalten.
Nach diesen allgemeinen Maßstäben, die im Schrifttum Zustimmung erfahren haben und auch im Bereich der Anwendung der FZA-Maßgaben Anwendung finden, um eine materiell-rechtliche Besserstellung der dortigen Regelungsadressaten im Vergleich zu Unionsrechtsbürgern bei Anwendung der Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der EU zu verhindern, ist es zulässig, im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz die Wegzugsteuer gem. § 6 Abs. 1 AStG festzusetzen.
Damit wird auch ermöglicht, auf den Zeitpunkt des Wegzugs festzuhalten, auf welchen Anteil des Steuersubstrats das Besteuerungsrecht des Wegzugsstaates entfällt. Zugleich ist aber den vom EuGH verbindlich formulierten Vorgaben dadurch Rechnung zu tragen, dass die im nationalen Gesetz nicht vorgesehene zinslose und bis zur Anteilsveräußerung andauernde Stundung von Amts wegen zu gewähren ist, um dem Steuerpflichtigen die Ausübung seines Rechts, sich in der Schweiz niederzulassen, zu ermöglichen.
Sonstige Steuern
Gesellschaftsanteile: Was bei der Schenkung an Minderjährige zu beachten ist
Die Schenkung von Gesellschaftsanteilen an Minderjährige bedarf der Genehmigung des Familiengerichts, wenn die Gesellschaft ein Erwerbsgeschäft betreibt. Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Schenkung für den Minderjährigen insgesamt vorteilhaft ist. Das ist anhand einer umfassenden Abwägung aller Vor- und Nachteile zu bewerten. Dabei können erhebliche wirtschaftliche Vorteile etwaige Haftungsrisiken überwiegen.
Hintergrund
Das Familiengericht hatte es abgelehnt, die Schenkung von Anteilen an verschiedenen Personengesellschaften auf minderjährige Kinder zu genehmigen. Das Familiengericht versagte die Genehmigung, weil die Beteiligten aus Sicht der minderjährigen Kinder nicht die haftungsrechtliche günstigste Vertragsgestaltung gewählt hatten (die Kinder hafteten im Zeitraum zwischen Eintritt in die Kommanditgesellschaft und Eintragung im Handelsregister als Kommanditisten wie persönlich haftende Gesellschafter). Die minderjährigen Beschenkten wandten sich gegen diese Entscheidung.
Entscheidung
Das OLG entschied zugunsten der Beschenkten. Zur Begründung verwies das OLG darauf, dass nicht jedes wirtschaftliche Risiko von Minderjährigen fernzuhalten ist. Es reicht aus, wenn der Erwerb der Gesellschaftsanteile nach Abwägung der Risiken und Vorteile im Ganzen betrachtet für den Minderjährigen vorteilhaft ist. Dazu ist eine Prognose anzustellen, bei der unternehmerische und wirtschaftliche Risiken unter Einbeziehung von Zweckmäßigkeitserwägungen bewertet werden. Folglich ist nicht zwangsweise die Vertragsgestaltung mit dem geringsten haftungsrechtlichen Risiko zu wählen. Denn die risikoärmere Vertragsgestaltung hätte zwar die kurzzeitige Haftung der Minderjährigen vermieden, jedoch gleichzeitig zum Verlust des erheblichen Steuervorteils (Senkung der Schenkungssteuerlast von EUR 3.452.250 pro Kind auf EUR 7.860) geführt. Der Erwerb der Geschäftsanteile nach Maßgabe der gewählten Vertragskonstruktion lag daher insgesamt im Gesamtinteresse der Minderjährigen und war zu genehmigen.
Steuerrecht Privatvermögen
Erbauseinandersetzung führt nicht zu privatem Veräußerungsgeschäft
Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks.
Hintergrund
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 des EStG wegen der Veräußerung von zur Erbmasse gehörendem Grundbesitz nach dem Erwerb aller übrigen Miterbenanteile durch einen Erben.
Der Kläger ist Erbe mit einem Erbanteil von 52 % nach der 2015 verstorbenen Erblasserin. Zu seinen Lasten wurde Nacherbfolge angeordnet. Weitere Erben zu jeweils 24 % und zugleich Nacherben nach dem Kläger wurden die Kinder der Erblasserin. Der Nachlass bestand zum Teil aus Grundstücken.
Am 27.8.2015 wurden der Kläger und die Kinder der Erblasserin im Grundbuch als Eigentümer der Grundstücke in Erbengemeinschaft eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 18.4.2017 übertrugen die Kinder der Erblasserin als Nacherben das Nacherbenanwartschaftsrecht an dem Erbteil des Klägers mit allen Rechten und Pflichten an diesen zur Alleinberechtigung und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab.
In der Folge übertrugen die Kinder der Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 27.4.2017 ihren Erbanteil an einen Dritten. Nach der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts übertrug dieser die von den beiden Kindern der Erblasserin erworbenen Erbanteile mit notarieller Urkunde vom 20.10.2017 auf den Kläger. Zugleich wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Der Kläger wendete den in der notariellen Urkunde vom 20.10.2017 genannten Betrag für die Erbanteile der Kinder der Erblasserin auf. Mit notarieller Urkunde vom 9.2.2018 veräußerte der Kläger den aus dem Nachlass stammenden Grundbesitz.
Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile vom Dritten eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes i. H. v. 48 % durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Erbanteile und dem Verkauf des Grundbesitzes im Streitjahr 2018 nicht mehr als 10 Jahre gelegen hätten, lägen sonstige Einkünfte aufgrund eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor.
Das FG wies die dagegen eingelegte Sprungklage als unbegründet zurück.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des Klägers stattgegeben. Das FG hat zu Unrecht einen vom Kläger zu versteuernden Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wegen der Veräußerung des Grundbesitzes angenommen.
Hierzu führten die Richter u. a. aus:
Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts.
Im Grundsatz führt der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens.
Eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist zivilrechtlich zu verstehen. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden.
Daran ändert § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nichts. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH wird eine anteilige Zurechnung i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die – wie hier – von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist. Soweit der BFH eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH v. 5.7.1990, GrS 2/89 zur Erbauseinandersetzung. Soweit dort ausgeführt ist, dass dem Erbanteilskäufer Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen entstehen, lässt diese Aussage nicht hinreichend klar erkennen, ob die Anschaffungskosten den Anteilen oder den Gegenständen im Gemeinschaftsvermögen zuzuordnen sind.
Auch aus § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift erfasst nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur Beteiligungen an Personengesellschaften. Dies schließt eine Anwendung der Regelung auf Erbengemeinschaften aus, da diese nicht zu den Personengesellschaften zählen.
Die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegen nicht vor. Es besteht keine Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut. Aufgrund notarieller Urkunde v. 20.10.2017 erwarb der Kläger die Erbanteile der beiden Kinder der Erblasserin, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Mit notarieller Urkunde vom 9.2.2018 veräußerte er hingegen das aus dem Nachlass stammende Grundstück.