Aktuelle Informationen aus Steuern, Recht und Wirtschaft

— Oktober 2022 —

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden.

Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Arbeitsrecht

Bei Unterschlagung von Trinkgeld droht fristlose Kündigung

Unterschlägt ein Beschäftigter Trinkgeld, das zur Weiterreichung an alle Mitarbeiter gedacht war, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung.

 

Hintergrund

Der gekündigte Arbeitnehmer war bereits seit 7 Jahren als Kfz-Technikmeister in einer Kfz-Werkstatt beschäftigt. In der Werkstatt war es Usus, dass Schrotthändler vorbeikamen, um entsorgtes Material abzuholen und dies, da der Schrott eigentlich Abfall und keine Verkaufsware war, durch eine Zahlung in die Trinkgeldkasse der Mitarbeiter zu vergüten. Dadurch gelangten regelmäßig größere Trinkgeldbeträge in die Kasse. Das Geld aus der Kasse wurde grundsätzlich auf die gesamte Belegschaft verteilt.

 

Im Januar 2022 gab ein Schrotthändler dem Arbeitnehmer 235 EUR für die Trinkgeldkasse. Dieser legte davon lediglich einen Betrag i. H. v. 70 EUR in die Kasse und behielt 165 EUR für sich. Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangte, kündigte er dem Kfz-Meister Ende Januar 2022 fristlos. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

 

Entscheidung

Das Gericht hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt und wies seine Klage ab. Der wichtige Kündigungsgrund lag nach Auffassung des Arbeitsgerichts darin, dass der Mann zu Unrecht 165 EUR für sich einbehalten und nicht in die Trinkgeldkasse abgeführt und somit seinen Kollegen vorenthalten habe. Diese Unterschlagung stelle eine ganz erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt.

 

Die Behauptung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess, er habe die 165 EUR für den Verkauf einer Metallwerkbank erhalten, wertete das Gericht als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Der Kfz-Mechaniker habe weder Details zur angeblich verkauften Werkbank sagen können, noch habe er dem Gericht mitteilen können, wie schwer diese Werkbank ungefähr gewesen sei. Erst nachdem ihm durch das Gericht vorgerechnet worden war, dass die Metallwerkbank bei einem derzeitigen Schrottpreis von ungefähr 27 Cent pro Kilogramm Metall über 600 Kilo gewogen haben müsste, um einen Preis von 165 EUR zu erzielen, fiel dem Arbeitnehmer noch ein, dass er darüber hinaus auch noch andere Dinge veräußert habe. Mit diesem Vortrag vermochte er das Gericht jedoch nicht davon zu überzeugen, dass alles seine Richtigkeit gehabt habe.

Lohn und Gehalt

Echte Abfindungen bei Personalabbau unterliegen der Lohnsteuer

Abfindungsbeträge sind auch dann steuerlich zugeflossen, wenn sie im Falle einer unwirksamen Wertguthabenvereinbarung auf ein Zeitwertkonto der Arbeitnehmer eingezahlt werden. Die anschließende Übertragung an die Deutsche Rentenversicherung kann nicht steuerfrei erfolgen.

 

Hintergrund

Ein Pharmaunternehmen strukturierte seinen Vertriebsbereich um und baute in diesem Zuge zahlreiche Arbeitsplätze ab. Betroffenen Arbeitnehmern wurden Abfindungen angeboten, die in bereits beim Arbeitgeber geführte Langzeitkonten eingebracht werden konnten. Die darin angesammelten Guthaben konnten laut Betriebsvereinbarung u. a. zur bezahlten Arbeitsfreistellung vor Ruhestandseintritt genutzt werden.

 

Arbeitnehmer, die ihre Abfindungszahlungen auf diese Weise verwendeten, beantragten wenige Tage vor ihrer Kündigung die Übertragung ihrer durch Abfindung aufgestockten Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), was auch entsprechend umgesetzt wurde. Der Arbeitgeber nahm keinen Lohnsteuerabzug auf die „umgeleiteten“ Abfindungszahlungen vor und berief sich u. a. auf die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 53 EStG, die für die Übertragung von Wertguthaben auf die DRV gilt. Das Finanzamt nahm den Arbeitgeber nach einer Lohnsteueraußenprüfung für nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung. Dagegen wehrt sich der Arbeitgeber mit seiner Klage.

 

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Haftungsinanspruchnahme und entschied, dass den Arbeitnehmern spätestens mit der Überweisung der Abfindungsbeträge auf die bei der DRV geleisteten Wertguthaben steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen war. Zwar waren die Abfindungsbeträge weder bar ausgezahlt noch einem (Bank-)Konto der Arbeitnehmer gutgeschrieben worden. Der Lohnzufluss ergab sich aber daraus, dass die Arbeitnehmer mit Zuführung auf die Langzeitkonten die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Beträge erlangt hatten.

 

Die für die Übertragung von Wertguthaben geltende Steuerbefreiung des § 3 Nr. 53 EStG fand vorliegend keine Anwendung, da es an einer wirksam abgeschlossenen Wertguthabenvereinbarung fehlte. Der den Langzeitkonten zugrundeliegende Vertragszweck konnte nicht mehr erreicht werden, denn bei Zuführung zu den Langzeitkonten hatte bereits festgestanden, dass die Arbeitsverhältnisse beendet werden und eine künftige Freistellung von der Arbeitsleistung im laufenden Dienstverhältnis somit ausschied.

Sonstige Steuern

Schenkungsteuerliches Verwaltungsvermögen: Überlassung von Grundstücken an Dritte

Überlässt der Eigentümer einer Immobilie diese aufgrund einer Scheidungsfolgevereinbarung seinem ehemaligen Ehepartner und den gemeinsamen Kindern zur Nutzung, liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Der Verkauf der Immobilie innerhalb von 10 Jahren ist deshalb steuerpflichtig.

 

Hintergrund

Die Eheleute waren je hälftige Miteigentümer eines Grundstücks. Die Ehe wurde im Jahr 2014 geschieden. Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit der Ehescheidung schloss der Ehemann mit der Ehefrau eine Scheidungsfolgevereinbarung mit Grundstücksübertragung, durch welche die Ehefrau ihren Miteigentumsanteil auf den Ehemann übertrug.

 

Im Gegenzug stellte dieser die Ehefrau von allen gemeinsamen privaten Verbindlichkeiten inklusive der Darlehensverbindlichkeiten, für die Grundschulden bestellt worden waren, frei und leistete einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag i. H. v. 359.000 EUR. Zusätzlich bestand die Vereinbarung, dass die Ehefrau das Recht hatte, das Hausgrundstück mit den gemeinsamen Kindern mindestens bis 2018 unentgeltlich zu nutzen.

 

Der Ehemann veräußerte das Objekt im Jahr 2018 und machte geltend, dass wegen der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an seine Kinder die Annahme eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG ausgeschlossen war. Das Finanzamt ging dagegen von einem nach § 23 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang aus.

 

Entscheidung

Die Klage des Ehemanns hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt.

 

Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Demgegenüber ist die Überlassung an andere – auch unterhaltsberechtigte – Angehörige sowie an sonstige Personen nicht begünstigt.

 

Ebenso liegt keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ vor, wenn nach dem Auszug des Steuerpflichtigen aus dem Familienheim eine gemeinsame Nutzungsüberlassung an nicht begünstigte Personen und einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder erfolgt. Denn in dieser Konstellation erfolgt die Überlassung an die Kinder gerade nicht zur alleinigen Nutzung. Vorliegend lag daher keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, da die Mitnutzung des Wohngrundstücks durch die Ehefrau die alleinige Nutzung der Kinder und somit die Selbstnutzung des Steuerpflichtigen ausgeschlossen hatte.

Steuerrecht Unternehmer

Verbindliche Auskunft: Welche Gebühr wird bei Rücknahme des Antrags erhoben?

Bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft gibt es keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass die Gebührenermäßigung sich nach der Bemessung einer Zeitgebühr ausrichtet.

 

Hintergrund

Die X-KG hat ihren Sitz im Inland. Da mehrere ihrer Gesellschafter die Begründung eines Zweitwohnsitzes im Ausland planten, beantragte die KG beim Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft insbesondere zur steuerlichen Entstrickung ihrer Beteiligungen.

Aufgrund des Antrags kam es zu umfangreichen rechtlichen Prüfungen durch das Finanzamt, das Landesamt für Steuern und das Landesfinanzministerium. Dabei wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert. Die Finanzverwaltung blieb jedoch dabei, dass der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abzulehnen sei.

Die KG nahm darauf ihren Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zurück, da die Gesellschafter inzwischen von der Verlagerung ihres Wohnsitzes in das Ausland Abstand genommen hatten.

 

Das Finanzamt setzte für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens eine Gebühr von 98.762 EUR fest. Dabei ging das Finanzamt von einem Gegenstandswert von 30 Mio. EUR (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr von 109.736 EUR begründet hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es jedoch – ausgehend von dem bisherigen Bearbeitungsaufwand von 156 Stunden bei weiter erforderlichen 10 bis 15 Stunden – sachgerecht, die Gebühr um 10 % auf 98.762 EUR zu ermäßigen.

 

Die hiergegen von der KG erhobene Klage, die Gebühr auf 15.600 EUR herabzusetzen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht meinte, durch die Rücknahme des Antrags sei der Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung entfallen, sodass es nur noch auf den Gebührenzweck der Kostendeckung ankomme. Dies führe zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass lediglich die Zeitgebühr i. H. v. 15.600 EUR abzurechnen sei (156 Stunden x 100 EUR pro Stunde).

 

Entscheidung

Die Revision des Finanzamts ist begründet. Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Der angefochtene Bescheid, in dem das Finanzamt die Gebühr auf 98.762 EUR festgesetzt hat, ist frei von Ermessensfehlern.

 

AEAO zu § 89, Nr. 4.5.2 schreibt (lediglich) vor, den bis zur Rücknahme des Antrags angefallenen Bearbeitungsaufwand „angemessen“ zu berücksichtigen und die Gebühr „anteilig“ zu ermäßigen. Weitere Vorgaben zur konkreten Berechnung der Ermäßigung enthält die Regelung nicht. Ihr kann somit keine generelle Begrenzung auf die Zeitgebühr entnommen werden. Vielmehr trifft die Regelung auch bei einer proportionalen Reduzierung der Wertgebühr im Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand zu. Im Übrigen bezieht sich die Ermäßigung nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO auf „die Gebühr“. Damit kann als Ausgangspunkt nur die Gebühr gemeint sein, die sich zuvor aus § 89 Abs. 4 bis 6 AO ergeben hat. Ein grundsätzlicher Wechsel von der Wert- zur Zeitgebühr (oder umgekehrt) ist dagegen nicht vorgesehen.

 

Die vom Gesetzgeber verfolgten Gebührenzwecke führen ebenfalls nicht zu der vom Finanzgericht angenommenen Ermessensreduzierung auf Null. Der Gebührenpflicht liegen die 2 Gebührenzwecke der Kostendeckung für die Bearbeitung des Antrags und der Abschöpfung des vom Antragsteller erlangten Vorteils zugrunde.

Das Finanzamt hat für die Gebührenermäßigung zutreffend auf die Wertgebühr nach § 89 Abs. 4 AO abgestellt. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zeitgebühr nach § 89 Abs. 6 AO waren nicht erfüllt. Die vom Finanzamt vorgenommene Kürzung nach dem Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand ist mit den Vorgaben der ermessenslenkenden AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 und den Gebührenzwecken vereinbar. Dem bisher angefallenen Bearbeitungsaufwand von 156 Stunden stand ein noch zu erwartender Bearbeitungsaufwand von 10 bis 15 Stunden gegenübersteht. Das führt zu der vom Finanzamt angenommenen Reduzierung der Wertgebühr um 10 %.