Aktuelle Informationen aus Steuern, Recht und Wirtschaft
— Oktober 2023 —
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden.
Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
Stehengelassenes Gesellschafterdarlehen: Wie wird ein Verlust berücksichtigt?
Findet der Ausfall der Regressforderung aus einer stehen gelassenen Bürgschaft im Rahmen des § 17 EStG keine Berücksichtigung, weil der gemeine Wert der Forderung im Zeitpunkt des Stehenlassens mit 0 EUR zu bewerten ist, steht § 20 Abs. 8 EStG einer Berücksichtigung der Forderung mit ihrem nicht werthaltigen Teil (Nennwert) nicht entgegen.
Hintergrund
Der Kläger und sein Bruder waren zu je 50 % am (vollständig erbrachten) Stammkapital i. H. v. 25.000 EUR, der im Jahr 2009 gegründeten B-GmbH beteiligt. Über das Vermögen der B-GmbH wurde im Dezember 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger war im Streitjahr zudem Kommanditist der C-GmbH & Co. KG und allein am Vermögen der KG beteiligt. Komplementärin der KG und nicht an deren Vermögen beteiligt war die C-GmbH, deren Alleingesellschafter wiederum der Kläger war.
Die B-GmbH und die KG nahmen bei der F-Bank und G-Bank mehrere Darlehen auf, für die der Kläger sich selbstschuldnerisch verbürgte. Der vereinbarte Höchstbetrag der selbstschuldnerischen Bürgschaft belief sich auf 346.000 EUR. In diesem Zusammenhang verpfändete er die bei der F-Bank verwahrten Wertpapiere.
Am 27.12.2012 kündigte die F-Bank die mit der B-GmbH bestehenden Darlehensverhältnisse und nahm den Kläger aus seinen Bürgschaften in Anspruch. In Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen der Kläger und sein Bruder unter Einbindung der KG umfassende Zahlungs- und Verzichtsvereinbarungen mit den beiden Banken ab. Die Brüder verpflichteten sich gesamtschuldnerisch, Beträge in einer näher bestimmten Größenordnung an die Banken zu zahlen. Dabei wurden Beträge, die die F-Bank bereits aus der Verwertung des verpfändeten Wertpapierdepots des Klägers erhalten hatte, abgezogen. Im Gegenzug verzichteten die beiden Banken auf sämtliche gegenüber dem Kläger bestehende Forderungen, soweit sie aus der Besicherung der der B-GmbH gewährten Darlehen resultierten.
Die Zahlung des überwiegenden Teils dieser Beträge erfolgte von einem Konto der KG. Darüber hinaus zahlten die Brüder gesamtschuldnerisch einen Betrag von 15.000 EUR an die Insolvenzmasse und 7.262,00 EUR an den Vermieter des von der B-GmbH genutzten Ladenlokals.
Der Kläger machte für das Jahr 2014 in seiner Einkommensteuererklärung einen Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 1, 4 EStG von insgesamt 242.036 EUR (145.221 EUR nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) geltend. Das Finanzamt hingegen berücksichtigte nur einen Verlust i. H. v. 23.631 EUR (im Teileinkünfteverfahren: 14.178 EUR). Dieser setzte sich zusammen aus dem anteiligen Stammkapital (12.500,00 EUR) sowie der Hälfte der Zahlungen an den Insolvenzverwalter (7.500,00 EUR) und an den Vermieter (3.631 EUR).
Das FG hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat entschieden, dass statt eines Verlusts des Klägers nach § 17 Abs. 4 EStG i. H. v. 14.178 EUR nur ein Verlust i. H. v. 7.500 EUR (nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, hälftiges Stammkapital zu 60 %) sowie ein Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von 114.768 EUR (die Hälfte des verbleibenden Restbetrags von 229.536 EUR) bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen anzusetzen ist, der nicht dem gesonderten Steuertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG unterfällt.
Entscheidung
Der BFH weist Revision des Finanzamts zurück. Er bestätigt die Rechtsauffassung der Vorinstanz, wonach beim Kläger ein Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 114.768 EUR zu berücksichtigen ist.
Wie die Veräußerung ist die Rückzahlung ein Tatbestand der Endbesteuerung. Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt daher grundsätzlich erst dann vor, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist und ausreichende Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung vorliegen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür regelmäßig nicht aus.
Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder aus anderen Gründen feststeht, dass nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des Verlusts nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners zu rechnen ist.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG den Ausfall der Bürgschaftsregressforderungen i. H. v. 114.768 EUR zu Recht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG berücksichtigt.
Bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG ist zwar im Grundsatz jede Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Allerdings bedarf es in Fällen wie dem vorliegenden einer „Gesamtbetrachtung“ von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung. Danach sind die gesamten „aus der Beteiligung“ erzielten Einkünfte maßgebend, d. h. sowohl Wertsteigerungen als auch Ausschüttungen. Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht ist nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet. Dies ist hier nicht der Fall. Das Fehlen einer Bürgschaftsprovision allein führt nicht zu einer anderen Beurteilung.
Entsprechendes gilt für die Feststellung des FG, bereits im Streitjahr sei nicht mehr mit Zahlungen auf die Forderungen zu rechnen gewesen, vielmehr hätten ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderungen vorgelegen. Dabei habe das FG maßgebend auf den Abschluss der Zahlungs- und Verzichtsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter im Februar 2014 abgestellt; diese habe sämtliche Ansprüche der Beteiligten abschließend regeln sollen.
Lohn und Gehalt
Keine Kürzung des geldwerten Vorteils für Garage
Die vom Arbeitnehmer für seine Garage getragene AfA kann den geldwerten Vorteil aus der Überlassung eines betrieblichen Arbeitgeber-Fahrzeugs zur außerdienstlichen Nutzung nicht mindern, wenn keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht, das Fahrzeug in der Garage unterzustellen.
Hintergrund
Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Syndikusrechtsanwalt und -steuerberater bei der X- AG angestellt. Aus dieser Tätigkeit erzielte er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 EStG. Zudem verfasste er steuerliche Fachbeiträge in Form von Aufsätzen und Kommentierungen. Diese Einkünfte ordnete der Kläger den Einkünften aus selbstständiger Arbeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu.
Die X-AG stellte dem Kläger im Streitjahr ein Geschäftsfahrzeug zur dienstlichen und außerdienstlichen Nutzung sowie ein Zweitfahrzeug für Führungskräfte zur dienstlichen und außerdienstlichen Nutzung zur Verfügung. Das Zweitfahrzeug benutzte die Klägerin.
Der geldwerte Vorteil des Klägers für die Nutzung der Fahrzeuge für außerdienstliche Fahrten wurde nach der 1 %-Regelung und für die Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte nach der 0,03 %-Methode ermittelt.
Den Gewinn aus seiner selbstständigen Tätigkeit ermittelte der Kläger nach § 4 Abs. 3 EStG. Er machte als Betriebsausgaben einen Betrag i. H. v. 30 % der Einnahmen als Betriebsausgabenpauschale für eine hauptberufliche selbstständige schriftstellerische Tätigkeit geltend.
Bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit machte der Kläger Aufwendungen für die AfA der Garage, in der die beiden überlassenen Fahrzeuge standen, als Minderung des geldwerten Vorteils aus der Fahrzeugüberlassung geltend.
Die Klägerin erzielte als Oberärztin ebenfalls Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Außerdem erhielt sie Vergütungen für die vom Chefarzt beauftragte Erstellung ärztlicher Patientengutachten. Zudem hatte sie Einnahmen aus einem Lehrauftrag. Auch diese Einkünfte wurden den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zugeordnet.
Sie ermittelte die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ebenfalls gem. § 4 Abs. 3 EStG. Auch sie zog einen Betrag i. H. v. 30 % der Einnahmen als Betriebsausgaben ab.
Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung der Kläger jeweils nur einen pauschalen Betriebsausgabenabzug i. H. v. 25 % der Einnahmen für eine nebenberuflich ausgeübte schriftstellerische und wissenschaftliche Tätigkeit, begrenzt auf 614 EUR beim Kläger sowie i. H. v. 98 EUR für die Klägerin.
Eine Minderung des geldwerten Vorteils des Klägers aus der Überlassung der beiden Fahrzeuge der X- AG in Höhe der Garagen-AfA lehnte das Finanzamt ab.
Die von den Klägern gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts eingelegte Klage wies das FG ab.
Entscheidung
Das Finanzamt hat zur Abgrenzung einer hauptberuflichen selbständigen schriftstellerischen Tätigkeit und einer nebenberuflich ausgeübten schriftstellerischen Tätigkeit zu Recht auf die zu § 3 Nr. 26 EStG vorhandenen Kriterien abgestellt.
Danach sind nur solche Steuerpflichtige als hauptberufliche selbständige Schriftsteller anzusehen, die eine schriftstellerische Tätigkeit im zeitlichen Umfang von mehr als einem Drittel eines vergleichbaren schriftstellerischen Vollzeiterwerbs ausüben.
Bei der Klägerin fehle es schon an einer schriftstellerischen Tätigkeit. Schriftstellerisch tätig wird derjenige Steuerpflichtige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige Manuskripte oder andere Unterlagen fertigt, die nicht an die Öffentlichkeit gerichtet werden und auch nicht ihr gegenüber zur Veröffentlichung bestimmt sind.
Das FG hat darüber hinaus zutreffend entschieden, dass die Garagen-AfA den geldwerten Vorteil des Klägers aus der Überlassung der betrieblichen Fahrzeuge nicht mindert.
Vorteilsmindernde Nutzungsentgelte sind nur solche Aufwendungen, die (einschließlich der vom Arbeitnehmer zu tragenden Anschaffungskosten) für die Überlassung und Inbetriebnahme des Dienstwagens vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber zu leisten sind. Der Arbeitnehmer muss sich insoweit gegenüber dem Arbeitgeber zur Tragung bestimmter Aufwendungen für das überlassene Fahrzeug verpflichten.
Die Aufwendungen für die Garagen-AfA sind kein solches vorteilsminderndes Nutzungsentgelt, weil es an einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers gegenüber seinem Arbeitgeber fehlt, die Fahrzeuge in der Garage unterstellen zu müssen.
Ferner ist die Garagen-AfA zutreffend auch nicht als vorteilsmindernde Einzelausgabe eingeordnet worden.
Vorteilsmindernde einzelne Aufwendungen außerhalb eines Nutzungsentgelts müssen nutzungsabhängig sein, d. h. dem Betrieb des Fahrzeugs oder der Durchführung konkreter außerdienstlicher Fahrten dienen, wie z. B. Versicherungsbeiträge, Kraftstoffkosten und auch Garagenstellplatzmieten. Für die Anerkennung vorteilsmindernder Einzelausgaben und Fahrzeugkosten ist – wie bei Nutzungsentgelten – aber zusätzlich erforderlich, dass diese Kosten vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber „übernommen“ werden, was eine arbeitsvertragliche oder andere arbeitsoder dienstrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über
die Kostentragung erfordert. Der Arbeitgeber muss für eine bestimmte nutzungsabhängige Aufwendung verlangen, dass sie getätigt wird, und der Arbeitnehmer muss sich verpflichten, diese zu tragen. Eine Vereinbarung zwischen der X-AG und dem Kläger, dass die Fahrzeuge vom Kläger auf eigene Kosten in einer eigenen oder angemieteten fremden Garage unterzustellen sind, gibt es jedoch nicht.
Private Immobilienbesitzer
Eigenbedarfskündigung: Härtefall wegen hohem Alter und langjähriger Verwurzelung
Wann können sich langjährige Mieter bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs auf eine unzumutbare Härte berufen? Das LG Berlin hat Stellung zu dieser Frage bezogen.
Hintergrund
Nachdem ein Ehepaar seit 18 Jahren in einer 2-Zimmerwohnung in Berlin gelebt hatte, kündigte ihnen der neue Vermieter wegen Eigenbedarfs. Doch die Mieter widersprachen der Kündigung. Sie beriefen sich auf ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihr hohes Alter und eine langjährige Verwurzelung. Der Vermieter verklagte die Mieter auf Räumung.
Das Amtsgericht (AG) Berlin-Mitte wies die Klage ab und bezog sich auf ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten. Ferner ordnete es an, dass das Mietverhältnis auf unbegrenzte Zeit fortgesetzt wird.
Das LG Berlin wies die Berufung des Vermieters zurück. Das Gericht begründete das damit, dass die Mieterin zum Zeitpunkt der Kündigung bereits über 80 Jahre alt gewesen ist. Für ältere Menschen stelle der Verlust der eigenen Wohnung eine besondere Härte dar. Denn ein hohes Alter sei stets mit vielfältigen Beeinträchtigungen verbunden. Darüber hinaus seien ältere langjährige Mieter häufig besonders am Ort der Mietsache sozial verwurzelt. Infolgedessen könne hier offenbleiben, inwieweit der Umzug aufgrund von Gesundheitsbeeinträchtigung der Mieter eine unzumutbare Härte darstellt. Das LG Berlin ließ die Revision nicht zu. Hiergegen legte die Vermieterin erfolgreich eine Nichtzulassungsbeschwerde ein.
Nachdem der Ehemann der Mieterin im Laufe des Verfahrens verstorben war, hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des LG Berlin auf.
Die Richter stellten klar, dass die Begründung der Vorinstanz für das Vorliegen einer Härte i. S. v. § 574 Abs. 1 BGB zu pauschal ist. Denn ein hohes Alter ist nicht zwangsläufig mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden. Vielmehr hängt dies von unterschiedlichen Faktoren ab wie der Persönlichkeit des Mieters sowie dessen körperlicher und psychischer Verfassung. Darüber hinaus sind langjährige Mieter nicht zwangsläufig mit dem Ort der Mietsache tief verwurzelt. Das gilt auch, wenn sie seit Jahrzehnten dort gelebt haben. Vielmehr hängt das davon ab, ob sie diesen Zeitraum genutzt haben, um etwa Kontakte zu Nachbarn aufzubauen. Zwecks näherer tatsächlicher Feststellungen verwies der BGH die Sache an die Vorinstanz zurück.
Entscheidung
Das LG Berlin wies abschließend die Berufung des Vermieters gegen das Urteil des Amtsgerichtes Berlin-Mitte endgültig zurück.
Die Richter begründeten das damit, dass ein Umzug aufgrund des sehr hohen Lebensalters der Mieterin von 90 Jahren zum Zeitpunkt dieser Gerichtsentscheidung sowie ihrer tiefen Verwurzelung am Ort der Mietsache eine unzumutbare Härte gem. § 574 Abs. 1 BGB darstellen würde. Das gilt nach Ansicht des Gerichtes unabhängig davon, ob sie in ihrer Gesundheit beeinträchtigt ist.
Für die vom Kläger vertretene Auffassung, dass die in § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG enthaltene Beschränkung der Förderung auf ein einziges Objekt lediglich die Inanspruchnahme der Vergünstigung für mehr als ein Objekt in demselben Veranlagungszeitraum nebeneinander und nicht auch in mehreren Veranlagungszeiträumen nacheinander (und damit für die Lebenszeit des Steuerpflichtigen) unterbinden will, finden sich in der Vorschrift keine Anhaltspunkte.
Für eine tiefe Verwurzelung spricht laut LG Berlin:
• dass die Mieterin sich inzwischen seit 24 Jahren in ihrer Mietwohnung aufhält,
• in 2 fußläufig von ihrer Wohnung entfernten Supermärkten einkaufen geht,
• die medizinische Versorgung überwiegend in der unmittelbaren Nähe zur Wohnung und inzwischen in der Wohnung selbst stattfindet (Praxis Hausärztin, Augenarzt, Orthopäde, Krankenhaus für Operationen),
• die Mieterin über viele soziale Kontakte in der Nachbarschaft verfügt,
• die Mieterin zahlreiche sonstige Aktivitäten in der Nähe der Wohnung bzw. in ihrem Stadtteil unternimmt (etwa Aufsuchen von Cafés, Besuch der Philharmonie, Spaziergänge, Gottesdienste in der Synagoge)
Infolgedessen seien die Folgen, die mit einem Verlust der Wohnung verbunden sind, für die Mieterin so gravierend, dass sie dadurch in ihrer Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG verletzt wird.
Demgegenüber müssen die Interessen des Vermieters laut LG Berlin normalerweise zurückstehen. Anders sehe das nur aus, wenn dieser sich im Rahmen der Interessensabwägung nach § 574 Abs. 1 BGB auf besonders gewichtige persönliche und wirtschaftliche Nachteile berufen kann. Diese seien jedoch nicht ersichtlich.
Mieterhöhung: Welche Vormiete ist maßgeblich?
Eine Miete kann auch dann zulässig sein, wenn sie die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % übersteigt. War die Vormiete ihrerseits überhöht, kann es auch auf die Vor-Vormiete ankommen.
Hintergrund
Die Vermieterin und der Mieter einer Wohnung streiten über die zulässige Miethöhe für eine 38 Quadratmeter große Wohnung. Für die Wohnung gilt seit 1.6.2015 die Mietpreisbremse.
Der Mieter hatte die Wohnung im Juli 2017 für eine Nettokaltmiete von 460 EUR (ca. 12 EUR pro Quadratmeter) gemietet. Die ortsübliche Vergleichsmiete betrug 256 EUR (6,65 EUR pro Quadratmeter).
Zuvor war die Wohnung Mitte Juni 2015, kurz nach Einführung der Mietpreisbremse, für eine Nettokaltmiete von 422 EUR (ca. 11 EUR pro Quadratmeter) vermietet worden (Vormiete). Davor wiederum war die Wohnung seit März 2014 für 380 EUR (10 EUR pro Quadratmeter) vermietet (Vor-Vormiete).
Im April 2021 rügte der Mieter, die Miethöhe verstoße gegen die Mietpreisbremse. Er verlangt Herabsetzung der Miete auf 281 EUR (ortsübliche Vergleichsmiete zzgl. 10 %).
Entscheidung
Der BGH entschied, dass die vereinbarte Miete von 460 EUR die nach der Mietpreisbremse zulässige Miethöhe überschreitet. Zulässig ist eine Miete von 380 EUR. Soweit die im Mietvertrag vereinbarte Miete darüber hinausgeht, ist die Vereinbarung unwirksam.
Ausgangspunkt für die zulässige Miethöhe sind die Regelungen über die Mietpreisbremse. Danach darf die Miete bei neu abgeschlossenen Mietverhältnissen maximal 10 % oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Dies wären hier 281 Euro.
Hat der Vormieter eine höhere Miete geschuldet, darf der Vermieter auch im neuen Mietverhältnis eine Miete in dieser Höhe verlangen.
Geschuldete Vormiete in diesem Sinne ist die Miethöhe, die im vorangegangenen Mietverhältnis zulässigerweise vereinbart war. War im Vormietverhältnis – wie hier –eine unzulässig überhöhte Miete vereinbart, ist als geschuldete Vormiete die gemäß Mietpreisbremse reduzierte Miete anzusehen. Das gilt auch, wenn sich die im Vormietverhältnis zulässige Miethöhe ihrerseits unter Heranziehung der Vor-Vormiete bestimmt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich damit ein mehrstufiger Weg, um die zulässige Miethöhe im aktuellen Mietverhältnis zu ermitteln.
- Vereinbarte Miete 460 EUR, bei Geltung der Mietpreisbremse. Die vereinbarte Miete überschreitet die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 %, und im VorMietverhältnis war eine höhere Miete vereinbart. Damit ist eine Miete in Höhe der zuvor zulässigerweise vereinbarten Miete zulässig. Es kommt somit auf die zulässige Miethöhe im Vor-Mietverhältnis an.
- Vor-Mietverhältnis: Vereinbarte Miete 422 EUR, bei Geltung der Mietpreisbremse. Die vereinbarte Miete überschreitet die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 %, und auch zuvor war eine höhere Miete vereinbart. Damit ist eine Miete in Höhe der zuvor zulässigerweise vereinbarten Miete zulässig. Es kommt somit darauf an, welche Miethöhe im dem Vor-Mietverhältnis vorangegangenen Mietverhältnis (Vor-Vormietverhältnis) zulässig war.
- Vor-Vormietverhältnis: 380 EUR Miete, zulässigerweise vereinbart vor Einführung der Mietpreisbremse.
Auf diesem Weg ist die vor Einführung der Mietpreisbremse vereinbarte Miete von 380 EUR aus dem Vor-Vormietverhältnis über das Vor-Mietverhältnis auch für das aktuelle Mietverhältnis maßgeblich.
Sonstige Steuern
Rechtsstreitigkeiten um einen Nachlass: Welche Kosten sind absetzbar?
Verlangt ein Miterbe die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und beantragt er die Teilungsversteigerung der geerbten Grundstücke, sind die daraus resultierenden Rechtsberatungskosten Kosten der Nachlassverteilung
Hintergrund
Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder Miterbe nach seinem verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte insbesondere umfangreiches Grundvermögen. Da das Verhältnis des Klägers zu seinem Bruder zerrüttet war, führten die beiden diverse Rechtsstreitigkeiten.
Zudem wurden Teilungsversteigerungsverfahren zur Auflösung der Erbengemeinschaft hinsichtlich mehrerer Objekte geführt, wobei eine Kanzlei für die Beratung beauftragt wurde. Diese Aufwendungen erkannte das Finanzamt nicht als Nachlassverbindlichkeiten an, da sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung des Erblasserwillens stünden. Aufwendungen, die auf einem eigenen Willensentschluss des Erben beruhen würden, seien keine Nachlassregelungskosten.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Verlangt ein Miterbe die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und beantragt er die Teilungsversteigerung der im Nachlass befindlichen Grundstücke, stellen die in der Folgezeit daraus resultierenden Kosten der Rechtsberatung und -vertretung in unmittelbarem Zusammenhang mit den Teilungsversteigerungsverfahren und der Beratung während der Erbauseinandersetzung unmittelbare Kosten der Nachlassverteilung i. S. v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG dar. Hierfür spielt es keine Rolle, ob der Erblasser nach § 2048 BGB Teilungsanordnungen verfügt hat, ob die Erbauseinandersetzung auf einer Vereinbarung beruht oder Ergebnis eines Rechtsstreits der Miterben ist.
Allerdings hat das FG einschränkend festgestellt, dass Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Vermietung von Nachlassgegenständen durch die Erbengemeinschaft in die Phase der Verwaltung dieser Gegenstände fallen, sodass daraus verursachte Rechtsberatungskosten ebenfalls zur Nachlassverwaltung gehören und somit nicht abzugsfähige Nachlassverwaltungskosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG darstellen.
Steuerrecht Privatvermögen
Abzugsfähigkeit von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung bei Bezug von Sterbegeld
Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen.
Hintergrund
Die Klägerin erhielt aufgrund des Ablebens ihrer Mutter gemäß den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ein Sterbegeld. Dieses Sterbegeld erklärte die Klägerin nicht in ihrer Einkommensteuererklärung. Die Beerdigungskosten machte sie als außergewöhnliche Belastung geltend.
Zur Durchführung der Weihnachtsfeier mietete der Kläger ein Kochstudio, um dort ein Kochevent zu veranstalten. Hierbei bereiteten die Teilnehmer unter Anleitung von 2 Köchen gemeinsam das Abendessen zu, welches sie dann gemeinsam verzehrten.
Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung das Sterbegeld nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags sowie des Versorgungsfreibetrags als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit.
Den geltend gemachten Aufwand für die Beerdigung berücksichtigte es zunächst erklärungsgemäß als außergewöhnliche Belastung, ließ im anschließenden Einspruchsverfahren jedoch nach Anrechnung des die Beerdigungskosten übersteigenden Sterbegelds den Abzug nicht mehr zu.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Es erkannte die Beerdigungskosten – lediglich um den Versorgungsfreibetrag gekürzt – als außergewöhnliche Belastung an.
Entscheidung
Der BFH bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts. Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger aus sittlichen Gründen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen übernimmt, sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen. Voraussetzung ist aber, dass die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind.
Dies beruht darauf, dass der Abzugstatbestand des § 33 EStG eine verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfordert und die Vorteilsanrechnung auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit gründet.
Der Steuerpflichtige ist nur insoweit belastet, als er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich trägt, da nur insoweit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert ist, mithin lediglich um die Differenz von Aufwand und (steuerfreier) Ersatzleistung.
Durch die Vorteilsanrechnung wird eine steuerliche Doppelentlastung vermieden. Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen daher nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen, sodass das einkommensteuerpflichtige Sterbegeld der Klägerin, nicht auf ihre als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten anzurechnen ist.
Steuerrecht Unternehmer
Erweiterte Kürzung: Abgrenzung von Betriebsvorrichtungen zu Gebäudebestandteilen
Fahrzeuggruben für eine Kfz-Prüfstelle stellen keine Betriebsvorrichtungen dar. Somit ist bei der Gewerbesteuer eine erweiterte Kürzung möglich.
Hintergrund
Die Klägerin – eine vermögensverwaltenden Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – hat eine Halle errichtet, in der auch Fahrzeuggruben und Gruben für Hebebühnen für den Betrieb einer Kfz-Prüfstelle eingebaut worden sind. Diese Halle wurde an eine Kfz-Prüfstelle vermietet. Das Finanzamt stufte insbesondere diese Gruben als Betriebsvorrichtungen und deren Mitvermietung als schädlich für die sog. erweiterte Kürzung ein. Es versagte der Klägerin deshalb die beantragte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos
Entscheidung
Die erhobene Klage war erfolgreich. Das FG sieht die Voraussetzung für die sog. erweiterte Kürzung als gegeben an. Werden beim Bau einer Halle, die für den Betrieb einer Kfz-Prüfstelle vorgesehen ist, im Hallenboden Vertiefungen für die Inspektion von Fahrzeugen und den Einbau einer Hebebühne angelegt, stellen diese Gestaltungsund Funktionsmerkmale der Bodenplatte dar und sind somit den Gebäudebestandteilen zuzuordnen.
Es liegen keine Betriebsvorrichtungen vor. Folglich ist die Vermietung der Halle einschließlich der Bodenvertiefungen nicht schädlich für die erweiterte Kürzung.
Sparmenüs „zum Mitnehmen“: Unterschiedliche Umsatzsteuersätze führen zu Preisaufteilung
Der Verkauf eines Sparmenüs zu einem einheitlichen Preis stellt umsatzsteuerrechtlich mindestens 2 selbstständige Lieferungen dar: Getränk zum Regelsteuersatz und Speisen außer Haus zum ermäßigten Steuersatz. Werden die Speisen bzw. Getränke auch einzeln verkauft, kann die Aufteilung des Einheitspreises für die Sparmenüs nach dem Verhältnis der Wareneinsatzanteile der Getränke bzw. der Speisen (Food-and-PaperMethode) erfolgen.
Hintergrund
Der Kläger verkauft in seinen Restaurants als Franchisenehmer sog. Sparmenüs bestehend aus Getränken und Speisen zum Verzehr außer Haus zu einem einheitlichen Gesamtpreis. Die Getränke unterliegen dem Regelsteuersatz und der Speisenverkauf außer Haus dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Die erforderliche Aufteilung des Gesamtentgelts nimmt der Kläger nach dem Verhältnis des Wareneinsatz (sog. „Foodand-Paper“- Methode) vor.
Nach Auffassung des Finanzamts führt die o. g. „nicht einfache“ Aufteilung nach dem Wareneinsatz nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Vielmehr müsse die Aufteilung nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise erfolgen.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Kaufpreisaufteilung des Klägers nach dem Verhältnis des Wareneinsatz (sog. „Food-and-Paper“-Methode) zulässig. Mit der Ausgabe der Sparmenüs führt der Kläger mindestens 2 selbstständige Lieferungen des Getränks zum Regelsteuersatz und der Speisen außer Haus zum ermäßigten Steuersatz aus. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Wegen der Lieferungen zu unterschiedlichen Steuersätzen ist der einheitliche Preis für die Sparmenüs in 2 Entgeltbestandteile aufzuteilen. Hierbei ist die „einfachstmögliche Berechnungs- oder Bewertungsmethode“ zu verwenden.
Bestehen mehrere sachgerechte, gleich einfache Aufteilungsmethoden, kann der Unternehmer zwischen diesen Methoden frei wählen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise aufzuteilen, wenn der Unternehmer die im Rahmen des Gesamtverkaufspreises erbrachten Leistungen auch einzeln anbietet. Daneben sind auch andere Aufteilungsmethoden wie das Verhältnis des Wareneinsatzes zulässig, wenn diese gleich einfach sind und zu sachgerechten Ergebnissen führen.
Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers des Finanzamts ist die durch den Kläger vorgenommene Aufteilung des Gesamtpreises der Sparmenüs gut nachvollziehbar und basiert auf tagesaktuellen, in Datenbanken bereitgestellten Einkaufspreisen (bezogen auf den Wareneingang). Die Berechnung erfolgt dabei maschinell mittels „einfacher“ Rechenleistung von Computern. Angesichts der erfolgten Programmierung der notwendigen Software und der vom Franchisegeber zentral ausgehandelten Einkaufspreise, die dem Kläger in ständig aktualisierter Form tagesaktuell in Datenbanken zur Verfügung stehen, stellt diese Methode für den Kläger die „einfachstmögliche auf Knopfdruck“ verfügbare Aufteilungsmethode dar. Im Streitfall entsteht daher kein Mehraufwand für den Kläger bei der Ermittlung der Einkaufspreise der jeweiligen Produkte.
Im Übrigen wäre der Umfang der erforderlichen Daten und die Anzahl der notwendigen Rechenschritte im Streitfall sowohl bei der Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen als auch bei den Einkaufspreisen gleich hoch. Das FG sieht es daher nicht als sachgerecht an, den Kläger auf eine Aufteilung nach den Verkaufspreisen zu verweisen. Dass die Aufteilung nach der Food-and-Paper-Methode zu ungerechtfertigten Steuervorteilen des Klägers führt, hat das Finanzamt weder dargelegt noch sind den Akten hierfür Anhaltspunkte zu entnehmen.